Tempo halten beim Reiten

Linie halten, Tempo halten beim Reiten

Über das Tempo halten beim Reiten

Tempo halten beim ReitenNachdem ich das neue Berittpferd Vera ungefähr eine Woche bei mir in Leutstetten hatte, habe ich meinen Plan für Vera in dieser Zeit über den Haufen geworfen. Dieser war eigentlich noch ein paar Tage, wenn nicht die gesamte Zeit, die Grundlagen zu sichern, die meines Erachtens neben der Dehnung zu den allerwichtigsten Dingen in der gerittenen Pferdeausbildung gehören, nämlich die korrekte Stellung und Biegung, darauf basierend die Seitengänge. Dieses Vorhaben habe ich gestern spontan über den Haufen geschmissen, ich habe Vera getöltet.Tempo halten beim Reiten
Dazu muss ich jetzt kurz ausholen: Veras Besitzerin hat die hübsche Rappstute vor ca  einem Jahr gekauft, eine isländische Rennsemmel. Vera war bisher das erste und einzige Pferd bei dem ich es aufgegeben habe mich im Zirkel im Trab mitzudrehen, sie legte so ein Tempo vor, dass einem schlicht und ergreifend schwindlig wird. Es wirkte anfangs tatsächlich ein wenig als hätte jemand wie bei den Kassettenrekordern früher auf die ff (fast forward, vorspulen) Taste gedrückt.

Vera war für meine Begriffe als Sabine sie kaufte ein unausgebildetes Pferd. Sicher war sie geritten, auch in allen vier Gängen, aber völlig unausbalanciert, keine Idee von Dehnung, Stellung und Biegung – reiten war gleichbedeutend mit Flucht.

Thema Flucht & das Tempo halten beim Reiten

Wie sehr diese Stute das Reiten mit Stress verband ist mir in den ersten Tagen bei mir bewusst geworden, durch den eklatanten Unterschied zwischen ihrem Verhalten bei der Bodenarbeit und beim Reiten. Vera ist eigentlich völlig klar im Kopf, am Boden an der Longe war sie bereits am ersten Tag körperlich wie mental fähig und entspannt genug, im Trab den Hals fallen zu lassen und in ruhigem gleichmässigem Thythmus dahin zu traben. Wird Vera aber geritten schien sie fast wie ausgewechselt, als wäre es nicht das gleiche Pferd. Vera rannte beim reiten „um ihr Leben“, oder ihr Gleichgewicht.

Andere temperamentvolle Pferde würden die ersten Einheit an einem fremden Stall an der Longe auch mal ordentlich Gas geben und buckeln, das hat Vera gar nicht nötig. Für mich ein eindeutiges Zeichen, dass es sich um eigentlich einen entspannten Charakter handelt dem das Reiten gründlich verdorben wurde. Gerade die Eintölterei verläuft ja oft, nennen wir es milde „stressbehaftet/ unschön“. Auch Vera hatte diese Haltung als Töltmuster.

Die Zeichnung eines Isländers, wie Vera es ist

Vera hatte nun glück. ihre neue Besitzerin hat Pferdeverstand, Gefühl und Geduld. Sie entschied sich Vera erst einmal über viele Monate dreigängig zu reiten, bzw auf dem Platz nur im Schritt und Trab. Außerdem hat sie viel mit ihr am Boden gearbeitet, das war ein ganz wesentlicher Faktor.

Auch hier bei mir die drei Wochen in Leutstetten kombinierten wir weiter das Reiten mit der Bodenarbeit. Ich arbeitete jeden morgen mit Vera, abends kam Sabine für Unterricht, eine sehr intensive Sache. Natürlich bekam Vera Stehtage, sowohl um das alles zu verarbeiten als auch um nicht ins Übertraining zu kommen. Muskulstur braucht Pausen um aufbauen zu können.

Bodenarbeit und das Tempo halten beim Reiten

Anfangs machte ich gern eine kleine Bodenarbeits und Longeneinheit, ritt dann ein anderes Pferd und holte mir Vera dann zum Reiten. Die letzten Tage wechselte das. Ich ritt sie im Schritt und Tölt und sattelte sie dann ab, um sie noch longiert traben und auch galoppieren zu lassen und mit einem guten Versuch Travers am Boden aufhören zu können. Das Longieren war kein Thema, Vra läuft phantastisch an der Longe, dehnt sich, hat super Gleichmaß, schwingt so dahin und lässt sich auch sehr leicht biegen.

Tempo halten beim Reiten und beim Longieren

Wirklich Thema am Boden war das Travers. Besonders auf der rechten Hand machte sie immer zuerst einen Schritt mit dem inneren Vorderbein hinein. Ich finde das gar nicht so leicht einem Pferd abzugewöhnen, wenn es dieses Muster mal drin hat, aber es hat meinen Ehrgeiz geweckt und drei Wochen zweimal am Tag üben hat zu einem schönen Ergebnis geführt, welches wir sicher auch Danielas Behandlung zu verdanken haben. Sie fand tatsächlich Probleme an Veras Becken.

Vera beim Kruppe herein

Vera beim Kruppe herein, das gemeinsame Üben macht Freude

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Zum Glück war Veras Besitzerin unbedingt dafür, während der Zeit des Beritts nicht nur den Sattel, sondern auch Vera selbst von einer Osteopathin anschauen zu lassen.

Tempo halten beim Reiten geht nur nach einer guten Osteobehandlung

An dem Tag als ich Vera also spontan töltete war ich ein wenig unglücklich, weil sie im Trab nicht wirklich ruhiger wurde. Ich dachte „Vielleicht tut es ihr gut, wenn sie sich einfach mal ein wenig „abstrampeln“ kann“ und ich war einigermaßen überrascht, dass dies in einer brauchbaren Haltung, gutem Takt und für ihre Verhältnisse sehr manierlichem Tempo funktionierte. Wäre dies nicht so gewesen, hätte ich den Tölt wieder ad acta gelegt. Für diese verbesserte Töltmanier mache ich das Jahr nicht tölten und Grundlagen sichern verantwortlich. Die ersten Tage habe ich ihren Rücken immer mal wieder leicht entlastet, bin also „im leichten Sitz getöltet“, das hat ihr sehr gut getan.

Kann man Tölten und trotzdem das Tempo halten beim Reiten

Ja das geht. Und nein, ein Pferd wird nicht automatisch schneller, wenn man sich nach vorne lehnt und nicht automatisch langsamer, wenn man sich nach hinten lehnt. Ein bisschen „leicht sitzen“ kann auch zu Ruhe führen weil es den Stress / evtl auch Schmerz nimmt.

Wir haben bei Vera versuchsweise, um sie aus ihrem alten Muster rauszuholen, Ausrüstungsgegenstände ausgetauscht, Fellsattel gegen normalen, Kappzaum gegen Trense… also eher „abgerüstet“ als auf (Kandare, Ausbinder, Gewichte). Wie eben auch beim Reiten den Rücken eher mal frei machen, als sich immer noch mehr reinzusetzen. Ganz wichtig war auch zunächst zur einseitigen Hilfengebung zurückzukehren, beide Zügel einfach aufzunehmen führt zum „Kopf hoch und Gas an Muster“.

Tempo halten beim Reiten

Ein paar Tage bin nur ich getöltet, um das zu festigen.

Sabine hatte ein paar wenige Tage das Problem, dass sie ihr immer wieder austrabte. Um das in Griff zu bekommen sind zwei eigentlich drei Dinge das A und O:

  1. Langsames Tempo, fast untertourig antölten und sich dann dieses Tempo nicht abnehmen lassen, auch nicht minimal, also Tempo halten beim Reiten und ganz ganz wichtig Linie halten. Kein Driften auf der offenen Zirkelseite z.B.!
  2. Außerdem musste Sabine über ihren Schatten springen und auf das erste austraben sehr zeitnah und streng reagieren. Das führt dazu, dass das Pferd merkt „ok die meint das ernst“ und dann muss man nicht mehr diskutieren, dann kann man sogar deutlich leichter werden und braucht wie bei Vera eigentlich gar keinen Zug mehr. Das Gewicht der Zügel reicht völlig!
  3. Auf der linken hand, Veras hohler Hand, war es wichtig sie durch deutliche Stellung an die Aussenhilfen zu bekommen und so führen und Tölt halten zu können. Das ist ein häufiges Problem bei eher trabigen Pferden, dass sie den Reitern auf der hohlen Hand gerne ausfallen. Auf der festeren Hand wurde sie am besten in dem Moment, in dem ich von der offenen Seite auf die geschlossene kam und sie wirklich in sich gerade machte.

Oft führt das Halten von Linie und das Tempo halten beim Reiten auch zu verbessertem Takt. Oft reicht das aber auch nicht, sehr passige Pferde finden nur durch vermehrte Gymnastizierung aus ihrem Muster. Vera HAT unendlich viel Takt, bei Vera führte das Halten von Linie und Tempo zu einer mentalen Entspannung, die wiederum die Haltung verbesserte. Noch besser wird die Haltung immer dann, wenn man mit dem inneren Zügel mal kurz vor geht, sie am Hals streichelt, da muss man aber relativ gut im Sitz sein, sonst trabt sie aus.

Tempo halten beim Reiten

Das war beim zweiten Töltversuch.

Der Weg zum Tempo halten beim Reiten

Der Weg ein Pferd „durchs Genick tölten“ einfach durch Nachgeben, statt wie man es immer sieht, durch „anziehen“ funktioniert nur wenn das Pferd gelernt hat zur Hand zu suchen (Dehnungshaltung!!!) und dieser vertraut. Bei Vera wird es nicht mehr lange dauern, wir hatten schon einige schöne Momente …

Die Situation an einem fremden Stall hat Vera wieder mehr ins Rennen gebracht, als es daheim bereits der Fall war. Das Thema Tempo halten beim Reiten fiel ihr dadurch noch schwerer (mentale und körperliche Balance!). Die letzten Tage merkte man wie sie etwas ankam und sich entspannte. Die Besitzerin hat mir nach wenigen Tagen daheim Rückmeldung gegeben, dass alles gut, ruhig und konzentriert funktioniert daheim. Ich bin mir ganz sicher, dass Vera an diesem Ausflug „gewachsen“ ist, er positiv zu ihrer Entwicklung beigetragen hat. Sie hat den anderen sicher von ihrem Abenteuer im Leutstettner Sumpf erzählt… 🤗

Hat viel Spaß gemacht mit euch beiden, liebe Vera und liebe Sabine!

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Vera auf der Koppel auf die nur schlaue Pferde dürfen…grins..


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