Stellungnahme „Trageerschöpfungsartikel“ in „Das Islandpferd“
(Liebe Sabine, hier eine Reaktion auf den Artikel ( auch) für dich)
Eine Zeitung/Zeitschrift ist immer an eine bestimmte Zielgruppe gerichtet und bildet immer, mal mehr mal weniger, die Meinung der „Macher“ ab. „Das Islandpferd“ scheint gerade geprägt zu sein von Menschen, die ähnlich wie in der „Piaffe“ das „Vorwärts-Abwärts“ für „schädlich“ für das (Island-) Pferd halten und ihre Leserschaft davon überzeugen wollen. Das ist natürlich absolut legitim…
Ich weiß, dass es für Einsteiger in die Materie schwierig ist. Man kann alles irgendwie begründen, ein guter Verkäufer kann alles an den Mann bringen, sprichwörtlich einem Eskimo einen Kühlschrank verkaufen. Eventuell wird man dem „großen Namen“ vertrauen bzw. unumstößlich klingenden biomechanischen Erklärungen…
Ich habe in den letzten Jahren auf sehr vielen (Gang) Pferden gesessen. Ich weiß nicht wie viele Gangpferde der Autor dieses Artikels, Chris Debski, ausgebildet hat, aber ich hatte einige in meinen Händen und unter meinem Po und sie haben mir zurückgemeldet, dass es immer alles besser, fließender, leichter wurde in dem Augenblick in dem sie gelernt haben sich vertrauensvoll zur Hand hin in die Tiefe zu dehnen (welches kein Dauerzustand sein soll, das hat nie jemand behauptet). Möchte man ein schiefes, steifes, fünfgängiges Pferd r e e l l über den Rücken bekommen, „Geraderichten durch Biegen“ ist die Dehnung der Sache sehr zuträglich, es geht hier um Losgelassenheit…
Aber ich möchte hier wieder Natalie Huttarsch, meine Ausbilderin zu Wort kommen lassen. Sie hat in Achselschwang das Reiten und Ausbilden von Pferden profund gelernt, sich vielseitig weitergebildet z.B. bei Hinrichs und Branderup. Biomechanisch gibt es keine Frage, die sie nicht beantworten kann, ist hier im freundschaftlichen Austausch mit Helle Kleven:
Stellungnahme Trageerschöpfungsartikel
Warum es von Belang sein soll, dass ein Pferd kein Schlüsselbein hat ist mir schleierhaft. Es wurde, unter anderem in der Evolution, genauso entwickelt, dass dieses ganze bewegliche System Sinn macht. Das Schlüsselbein soll uns Menschen die Arme freihalten, für mehr Bewegung, die ein Pferd als 4 Füsser garnicht braucht. Und, was hat das mit dem Geritten werden zu tun? Diese statische Sichtweise, dass ein Pferd von vorne nach hinten, in absolute Aufrichtung geritten werden soll um irgendwelche vermeintliche Stabilität zu erzeugen, zeigt auch, dass dem Autor noch die Verknüpfung von Theorie und kompetenter Praxis fehlt. Jemand der in der Lage ist, ein Pferd in relativer Aufrichtung auszubilden, würde gar nicht auf so abstruse Ideen kommen! Weil sich durch die Lastaufnahme hinten eben alles vorne relativiert. Die Stossdämpferwirkung soll durch vorwärts -abwärts abnehmen? Wieso hat die Evolution denn dann das Pferd als 18 stündigen Bodenfresser entwickelt? Den Kopf 18 Stunden am Boden? Wenn das so schlimm wäre, hätten sie als Bodenfresser aussterben müssen und wären Giraffen geworden.
Aber es ist heutzutage schwierig den Reitern noch den Unterschied zwischen relativer Aufrichtung und absoluter Aufrichtung klar zu machen, weil ja fast ausschließlich nur noch absolut aufgerichtet wird. Das vorne hochziehen ist doch gewünschtes Programm. Also von welchem Vorwärts-abwärtswahn redet der Autor? Abgesehen davon, ist es doch so, dass gerade Pferde, die in unnatürlicher statischer Daueraufrichtung geritten werden, so aussehen wie das Pferd auf dem Bild. Weil eben durch absolutes Aufrichten der Rücken nachgibt und somit das Pferd die gestörte Mechanik massiv kompensieren muss. Übrigens gut nachzulesen in Fachpublikationen oder bei so vielen alten Meistern.
Und was hat Ausbinden mit vorwärts-abwärts zu tun? Ausbinden dient nur dazu den Hals in eine Form zu zwängen, aber wo soll denn da das voab sein? Ausbinden ist DER Verhinderungsfaktor von voab. Ich frage mich, ob die Redaktion dieser Zeitschrift überhaupt ein Interesse an den tatsächlichen Fakten der Biomechanik hat. Aber es ist ja kein Problem mehr heute solches Wirrwarr zu verbreiten, denn es gibt ja in der überwiegenden Mehrheit nur noch UNKUNDIGE , wie die alten Meister die Reiter benannt haben, die ihr Pferd „absolut“ reiten. Und denen kann ja offensichtlich alles aufgetischt werden, was bequem in ihr verschobenes Bild von Ausbildung passt
Ja, harte Worte, ja da hat sich jemand aufgeregt… aber ich denke, es ist wichtig, sich viele Meinungen zu einem Thema anzuhören, jeder kann dann in sich reinhorchen: „Was hört sich schlüssig an, was ist mir sympathisch, man kann ausprobieren?“ und hinfühlen, welche Rückmeldung wir zu unserem Tun von den großen und kleinen Ponys dann so bekommen.
Eine schöne Woche!
Kirsti